Seit Jahren schon versuchen wir, die liberalen Demokraten, die Gründe dafür, warum die AfD und jetzt das BSW immer größer werden, bei diesen Parteien selbst zu finden, aber kaum bei uns. Absurd. Denn natürlich liegen die Ursachen auch bei uns.
Die digitale Zäsur: In den demokratischen Länder der Welt (und nicht nur dort) hat sich in den vergangenen Jahren das kommunikative Handeln (Habermas) faktisch und tiefgreifend gewandelt. Die digitalen Medien, die sich geschäftsfördernd sozial nannten, pflügten den öffentlichen Diskurs um. Dabei unterscheiden sich diese digitalen von den klassischen Medien vorrangig dadurch, dass sie sich ausgebildete Journalisten sparen und deren Arbeit an die Rezipienten, an das normale Volk weitergeben. Ausbeutung erster Klasse. Doch diese Ausbeutung macht Spaß. Jede und jeder kann heute mitreden und sein eigener Chefredakteur sein. Das bringt Vorteile für diejenigen, die das Geschäft beherrschen. Die anderen hängen sich begeistert dran. So gewinnen die Menschen viel Wissen, haben aber dennoch von vielen (entschuldigt bitte) wenig Ahnung. Denn Google gibt keine Antworten auf nicht gestellte Fragen.
Die digitalen Konzerne übernehmen in der Regel keine Verantwortung für das, was bei ihrer Arbeit „hinten rauskommt“ (Wortwahl Helmut Kohl). Begründet wird diese Verantwortungslosigkeit damit, sie seien ja Plattformen für den demokratische Diskurs. Da dürfe niemand Zensur ausüben. Eine glatte Lüge. Denn im Verborgenen steuern deren Algorithmen das ganze Geschehen mit dem Ziel, Aufsehen zu erzeugen. Damit lässt sich Werbung gut verkaufen. Selbstredend werden die verdienten Milliarden (!) nicht demokratisch an die Nutzer der Plattformen verteilt.
Die liberalen Demokratien hingegen denken immer noch häufig in den Kategorien vordigitaler Zeiten. Die parlamentarischen Abläufe sind gleichgeblieben. Die Politik erläutert nicht Ziele und Vorgänge für das normale Volk. Dafür waren früher die klassischen Medien da. Deshalb auch ihr Privileg der Pressefreiheit. Vertrauen zu erreichen war für Kommunikation fundamental.
Heute überzeugt Politik – rational durchdacht und von Gerichten bestätigt – bestenfalls städtische Intellektuelle. Den normalen Leuten kommt die Politik wie ein mediales Theater mit schlechten Schauspielern vor. Die nüchterne, unverständliche Show des Parlamentarismus empfinden sie als Zumutung. Die Talk Shows ergänzen das miserable Bild. Sie treiben den Ärger eher an als aufzuklären. Da die normalen Leute die Vorgänge und Streit darüber selten inhaltlich verstehen, steigen Blutdruck und Wut. Sie bekommen den Eindruck, dieser Zirkus läuft nur ab, um Ämter und Positionen zu ergattern. Sie würden, um diesen Zirkus abzuschaffen, sogar dafür einen (scheinbar oder tatsächlich) Verrückten wählen. Einen richtigen Dompteur eben, der was davon versteht, wie man unter Jubel Menschen und Tiere durch die Manege führt.
Was wäre nötig, um die liberale Demokratie zu stärken?
Politik muss sich deutlich mehr, manchmal genauer und grundsätzlich emotionaler erklären. Das könnte am besten geschehen im direkten Gespräch mit den populistisch genannten Parteien. (Man muss sich ja nicht mit jedem gleich ins Bett legen). Diese Debatte muss aber die Politik können und erlernen. (Leider ist hier nicht Platz, für die Politik verpflichtende Partizipationsverfahren vorzustellen.)
Jedenfalls werden die normalen Leute Tag für Tag von den sozial genannten Medien bombardiert – und die Politik lässt sie unter Dauerbeschuss allein. Das ist ein Skandal. Die Brandmauer bietet für diese Zurückhaltung eine bequeme Ausrede. Die Zivilgesellschaft kann die fehlende Auseinandersetzung nicht ausgleichen. Alle brauchen politische Anregungen, wie mit Rechten und Rechtsextremen umzugehen ist. (In dieser Formulierung steckt schon ein Problem. Rechts von der Mitte gibt es nicht wenig gute Demokraten. Die Gleichmacherei von Rechts und Rechtsextremen wirkt höchst fatal. In vielen Gegenden des Ostens ist CDU die einzig bedeutende demokratische Partei der rechten Mitte).
Erklären muss die Politik auch heute deshalb viel intensiver, weil die geschwächten klassischen Medien selbst nicht mehr kritisch insbesondere über die AfD aufklären. Sie wollen sich damit die Hände nicht schmutzig machen. Sich darauf einzulassen wäre auch nach ihren eigenen Maßstäben gefährlich. Sie recherchieren über verschiedene andere gesellschaftlich Themen schon gar nicht mehr. Sie fokussieren sich auf Politik. Von dort bekommen sie alles frei Haus geliefert. Allein mit dieser Konzentration machen die klassischen Medien die Politik zur leichten Beute. Die Politik müsse liefern. Falsch. Die klassischen Medien sind vielfach (mit ihrer Abgehobenheit) leider Teil des Problems, auch wenn sie andererseits fast die einzigen sind, die gründlich über Politik und Gesellschaft informieren.
Eine Regierung wird nicht gewählt, um Wohltaten zu verteilen Die Bürgerinnen und Bürger wollen anständig regiert werden, damit wir unser Leben selbstverantwortlich gestalten können und um ausreichend Zeit für Beruf, Familie und zum Ausruhen zu haben. Auf diese Weise gestaltete sich ursprünglich die Arbeitsteilung in Staaten mit repräsentativer Demokratie. Damit verpflichtend verbunden war allerdings, direkt oder über klassische Medien zu informieren. Diesen Herausforderungen sind die Liberalen Demokratien aktuell nicht gewachsen, vor allem auch deshalb, weil Selbstkritik völlig fehlt. Die Medien berichten lieber über Wohltaten, weil leichter abzurechnen, als über eine gute Regierung zu urteilen. Auch bei den Medien fehlt schmerzhaft die Selbstkritik.
Jetzt hat ein amerikanischer Autobauer die AfD für Deutschland als Rettung empfohlen. Im Land Brandenburg wurde ihm vor wenigen Jahren der rote Teppich ausgelegt. Warum eigentlich baut Musk bessere Autos als VW?
Schlussbemerkung: Über das furchtbare Attentat in Magdeburg informierten die klassischen Medien bisher angemessen und klug.
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