Wer auf dieser Klaviatur spielt, erzielt große Wirkung. Dabei wird dem Nutzer unter der Marke „soziale Medien“ ein überaus gewinnbringendes Geschäftsmodell untergejubelt. Die User leisten die Schreibarbeiten selbst. Bereitwillig werden persönliche Daten verschenkt. Die Werbekassen der Konzerne klingeln. Nicht einmal produzierende Unternehmen können sich diesem medialen Spielrausch entziehen. Wenn sie aufspringen, wähnen sie sich sicher und – erfolgreich. Dabei weiß keiner, wie die Datenströme fließen und wie die Algorithmen auswählen. Denn das bleibt Geschäftsgeheimnis.
Billigend in Kauf genommen wird, dass diese Art der Kommunikation (Die große Gereiztheit, Bernhard Pörksen) die Tendenz hat, das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Ich finde es mutig, dass einige Konsequenzen ziehen (Robert Habeck). Noch wird Twitter – das Medium von Donald Trump – von einigen Journalistinnen und Journalisten gelobt. Facebook hingegen befindet sich auf absteigendem Ast. Junge Leute wenden sich ab.
Als die klassischen Medien Anfang der 2000er Jahre unter Druck der damals neuen digitalen Medien gerieten, reagierten sie mit Boulevard, Personalisierung und Skandalisierung. Der Wettbewerb entwickelte sich zum Hase- und Igel-Spiel. Wir, die wir das alte Märchen kennen, wissen, worin der Trick besteht und – dass Hinterherrennen absolut nichts bringt. „Der polarisierende Dauerstress, der aus der andauernden Sichtbarkeit des Gegners resultiert, sollte nicht mit politischer Auseinandersetzung verwechselt werden“, kommentiert Arno Frank am 9. Januar im SPIEGEL.
Die klassischen Medien haben trotz aller Unkenrufe ein großes Publikum. Dass der Diskurs über die klassischen Medien immer noch über Wichtiges und Unwichtiges entscheidet, ist ein Pfund, mit dem sich wuchern ließe. An uns Leserinnen und Lesern wäre es, diese Leistung – auch als Vorleistung – zu honorieren. Demokratie braucht journalistische Medien, nicht zwingend Stimmungskanonen.