Furchtbar und schrecklich, ein Volk will nach eigenen Maßstäben leben und wird deshalb von einer Nuklearmacht überfallen. Putin hat keine Angst vor der NATO, er hat Angst vor dem Beispiel eines erfolgreichen demokratischen Landes an seinen Grenzen.
Wir müssen uns selbst vorwerfen, das, was sich seit (mindestens) acht Jahren mit dem Krieg in der Ostukraine offenbart hat, nicht ernst genug genommen zu haben. Wer nach den Massenprotesten auf dem Maidan 2014 an der Seite der Ukraine stand, kam sich schon wenige Jahre danach wie ein einsamer Rufer in der Wüste vor („Mit eigenen Augen …“). Die russische Propaganda leistete ganze Arbeit. Das ahnen wir zwar, aber unterscheiden können wir deshalb noch lange nicht zwischen Wahrheit und irreführenden Informationen. Wir wissen einfach viel zu wenig faktisch, mental und geschichtlich von diesem wunderbaren Land, neben Russland dem größten Land in Europa.
Wenn heute davon gesprochen wird, dass nach dem Überfall auf Polen 1939 wieder erstmalig Krieg in Europa sei, dann stimmt das nur zur Hälfte. Zur Wahrheit gehört – und die baltischen Staaten und Polen wissen das schmerzlich – den deutschen Angriff auf Polen unterstützte die Sowjetunion, die 1939 von der anderen Seite in diese Länder einfiel (Hitler-Stalin-Pakt). „Erstmalig“ ist ebenfalls nicht zutreffend. 1956 besetzte die Rote Armee Ungarn. 1968 wälzte der Warschauer Pakt mit Panzern den „Prager Frühling“ nieder.
Heute ist mit dem Krieg die Illusion, dass der ehemalige KGB-Agent Putin ein geläuterter Staatenlenker geworden wäre, verflogen. Das könnte der Anfang für neues Denken sein. Nur zu welchem furchtbaren Preis?