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Hochmütige im liberalen Kulturkampf?

„Offene Gesellschaften kann man auch zu Tode verteidigen“, meint Hans Monath, Journalist beim Berliner Tageblatt, in seinem Essay „Hochmut der Vernünftigen“. Monath beschreibt darin einige bedenkliche Mechanismen, die er in der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus sieht. In den USA, so Monath, „diskutieren liberale Meinungsführer seit der Präsidentenwahl, ob ihre eigene Selbstgerechtigkeit und ihre Blindheit für die Nöte der Trump-Wähler dessen Erfolg erst möglich gemacht haben.“ Denn niemand würde eine Gesellschaft voranbringen, der für die Brüche des Fortschritts kein Verständnis aufbringe.

Getrost kann beim Lesen der Vergleich mit dem römischen Kaiser Claudius und dessen Eroberung Großbritanniens weggelassen werden, alles andere hingegen ist sehr zu bedenken. Die Klügeren unter den Verteidigern des Fortschritts, so Monath, könnten mehr erreichen, „wenn sie die Ablehnung der kulturellen Moderne als Tatsache akzeptieren und deshalb viel genauer auf die Wirkung der eigenen Überzeugungsversuche schauen“ würden. Monath weiter: „Wenn der Eindruck entsteht, die kulturellen Codes einer liberalen Elite sollten ohne Rücksicht durchgesetzt werden, wird das keine guten Folgen haben. Gegen wenig sind Menschen so allergisch wie gegen Bevormundung.“ Den Kampf für Minderheitenrechte bezeichnet Monath als ohne Zweifel aufklärerischen Akt. „Sofern er aber blind ist für seine Wirkung auf Gruppen von Menschen, die diesen Kampf kritisch sehen, und blind ist für soziale Unterschiede, kann er die Gegner der Aufklärung stärken.“ Monath bezieht sich auf drei fiktive, jedoch durchaus reale Menschenschicksale: „Wer als Scheinselbstständiger zwölf Stunden am Tag Amazon-Pakete ausfährt, wer das Geld für die Klassenfahrten seiner Kinder nicht aufbringen kann, auch wer ein gutes Einkommen hat, aber von Abstiegsängsten geplagt wird, empfindet die Emanzipationsideale der gut ausgebildeten, linksliberalen Eliten schnell als Kriegserklärung von oben.“
Ja, weil diejenige oder derjenige denkt, wer kümmert sich denn um meine Familie und um mich und zwar mit der gleichen Intensität wie um Schwule, Lesben und Transgender? Jetzt dürfen zwar bald alle alle heiraten, egal scheinen hingegen meine Nöte, wie ich als Normalo im Leben klar komme. Monath empfiehlt, genauer auf die Wirkung eigener Überzeugungsversuche zu schauen. Der Volksmund meint: Hochmut kommt vor dem Fall.

Für seinen Essay „Der Hochmut der Vernünftigen“ erhielt Hans Monath den Theodor-Wolff-Preis (Sparte Meinung). Der Preis erinnert an den langjährigen Chefredakteur des Berliner Tageblatts Theodor Wolff (1868-1943). Wolff musste 1933 vor den Nazis fliehen, wurde in Nizza verhaftet und ins KZ Sachsenhausen deportiert.

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