„Fünf Jahre nach den blutigen Ereignissen auf dem Kiewer Maidan und dem Beginn des russisch-ukrainischen Krieges ist der Konflikt, der weit über 10.000 Opfer forderte und Millionen Menschen aus ihrer angestammten Heimat vertrieb, aus den Schlagzeilen geraten. Nur beim periodischen Aufflammen neuer Aggressionen, wie jüngst in der Meerenge von Kertsch, hören die Westeuropäer noch hin. Fünf Jahre Ukraine-Russland-Krieg geben aber auch Anlass zu einer Bestandsaufnahme: Was sind die Konflikttreiber? Stimmen unsere Einschätzungen über die Motive und Strategien der beteiligten Akteure? Was hat sich seit 2014 geändert, welche Kontinuitäten können wir sehen? Welche historischen Sachverhalte müssen wir kennen und verstehen, um diesen Konflikt richtig einzuordnen – und nach Lösungen zu suchen?“(Anna Veronika Wendland)
Februar 2019 18.30 Uhr – Zeitgeschichtliches Forum Leipzig Vortrag und Diskussion Ungleiche Brüder – Russen und Ukrainer *
Eine Veranstaltung des EuropaMaidan Leipzig mit Dr. Anna Veronika Wendland (Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg / Leipzig), Pfarrer Ralf Haska (ehem. Kiew, heute Marktleuthen), Dr. Oksana Makohon (Ukrainische Gemeinde Leipzig), Moderation: Reinhard Bohse. *Die Überschrift der Veranstaltung folgt dem Titel eines Buches von Andreas Kappeler (Schweiz, Historiker): Ungleiche Brüder, Russen und Ukrainer. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart; Hrsg. Zentrale für politische Bildung. C.A.Beck 2017. Der Autor hat dieser Verwendung als Überschrift der Veranstaltung ausdrücklich zugestimmt.
„Der Wiener Osteuropahistoriker Andreas Kappeler hat in seinem Buch ‚Ungleiche Brüder‘ die Ursachen des Konflikts in einem von Spannung gezeichneten post-imperialen Verhältnis zwischen Russen und Ukrainern gesehen. Russische Eliten und russische Bevölkerung eint der imperiale ‚Phantomschmerz’ und die Vorstellung, die Ukrainer seien ohne russische Vormundschaft, ohne einende allgemeinrussische Kultur nicht überlebensfähig und auch nicht zivilisiert genug, um einen Platz in der europäischen Nationengemeinschaft einzunehmen. Die Eignung zur Staatsbildung und die kulturelle Eigenständigkeit werden den Ukrainern häufig abgesprochen. Der Krieg im Donbass, die Annexion der Krim sind so gesehen Resultate eines verspäteten Dekolonisierungskrieges, verstanden als Konflikt enger Verwandter, die in einem historischen Unterordnungsverhältnis standen, welches in der Moderne auseinanderbrach. Russen und Ukrainer bekämpfen sich umso leidenschaftlicher nicht obwohl, sondern gerade weil sie sich kulturell so nahe stehen.“ (Anna Veronika Wendland)