Blog & Notizen

„Lügenpresse“ und die verweigerte Debatte über Qualität

„Medien und Journalismus gehören zu den wenigen Bereichen der Gesellschaft,“ stellt Otfried Jarren in der NZZ fest, „in denen intern und vor allem auch gegenüber Externen nicht systematisch über Qualität gesprochen wird“. In der Tat, was auch immer wir kaufen, ob Staubsauger oder Zugtickets, stets bekommen wir Angaben dazu geliefert, was das avisierte Produkt zu welchem Preis leistet oder leisten soll. Nicht so in der Medienbranche.

Da wir als Konsumenten nicht alles vor einem Kauf auf Verlässlichkeit prüfen können, gibt es Institutionen, die dies für den potenziellen Kunden übernehmen: beispielsweise Stiftung Warentest. Die Medienbranche hingegen meint, eine Stiftung Medientest nicht nötig zu haben.

Wir Konsumenten fragen den Arzt oder Apotheker oder sehen uns Kritiken oder den Beipackzettel an. Doch das alles steht für Medienangebote faktisch nicht zur Verfügung.

Eine Folge: „Die Konsumenten haben keine Vorstellung davon, wie viel Journalismus wert ist“, so Otfried Jarren. Natürlich gebe es Unterschiede bei den publizistischen Produkten und diese werden vom Publikum durchaus gesehen. „Aber die Branche selbst exponiert sich in der Qualitätsfrage nicht“ (Jarren). Tatsächlich, abgesehen von Allgemeinplätzen findet der Interessierte Angaben zu den verwendeten journalistischen Standards höchst selten. Presserat samt Pressekodex bieten viel zu wenig, um Fragen nach Produkt, Leistung und Qualität zu beantworten. Medien und Politik argumentieren derweil unverdrossen, dass journalistische Medien unerlässlich für Demokratie seien („Wie die Luft zum Atmen“), das ist zwar sehr wohl zutreffend, klingt aber wie lautes Rufen im Walde. Die Unzufriedenen überzeugt diese Beschwörungsformel nicht. Im Gegenteil. Eigeninteresse und Kungelei werden vermutet. Dabei ist alles ganz einfach: Wer zahlt, möchte wissen, wofür – wie beim Staubsauger oder Zugticket.

Verrückt, Deutschland verfügt (wie die Schweiz) immer noch über eine Vielfalt qualitativ hochwertiger Medienangebote – national und regional –,  doch die immer weniger werdenden Konsumenten erfahren nicht, wodurch sich diese Angebote auszeichnen und worin sie sich unterscheiden sollen. Jarren resümiert: „Die von der Medienbranche verweigerte Debatte um Publizistik, Journalismus und Qualität wird nun an anderen Orten sowie von Laien und mit anderen Argumenten geführt“.

Weiteres zum Thema