Aus guten Gründen bezeichnen sich die sozial genannten Medien nicht als Medienunternehmen. Sie seien digitale (freie) Plattformen und demzufolge Technologieunternehmen. Mit dieser Begründung umgehen sie eine staatliche Regulierung (für Medien) und sparen Milliarden an Steuern (s. u. a. Handelsblatt). Den größten Coup landeten die digitalen Großkonzerne allerdings, als sie ihre auf Gewinnmaximierung orientierten Unternehmen mit „social“ tarnten. Marketing vom Feinsten. Folglich können sie sich – im doppelten Sinne – alles leisten.
Gleichzeitig ruinieren die Internetkonzerne (begleitet von Schadenfreude über die „Lügenpresse“) das bisherige Kommunikationssystem, das auf Journalismus und dessen Regeln beruht. Ohne viel Aufsehen schluckten Facebook & Co außerdem die Werbeeinnahmen der privaten klassischen Medien. Infolge dieser Entwicklung verschwand – für den normalen Konsumenten – der Journalismus in der Bedeutungslosigkeit. Lediglich der Öffentlich-rechtliche Rundfunk überstand bisher den Angriff, zwar nicht überzeugend, doch dank der Rundfunkabgabe stabil.
Den Journalismus als „Contentbringer“ ersetzen die Internetkonzerne, indem sie die Konsumenten selbst Tag und Nacht – freiwillig und kostenlos – für sich arbeiten lassen (denn ohne Inhalte wären die Plattformen nichts). Die Algorithmen fungieren als Redaktion. Sie wählen aus und geben die Trends vor, gesteuert von den jeweiligen Konzernen und natürlich auf Gewinn getrimmt. Die „redaktionellen Richtlinien“ selbst in Form der Algorithmen kennt keiner. Nach wie vor wird versucht, den begeisterten User im Glauben zu lassen, er sei Herr seiner Kommunikation und seiner Daten.
Ja, die Internetplattformen erscheinen wie einst die Dampfmaschinen völlig neuartig und kommen ungewohnt daher. Doch so unterschiedlich Pferd und Dampfmaschine aussehen, – alles ist manchmal so simpel – beide eignen sich als Transportmittel. Die modernen Onlineplattformen Facebook & Co sind nichts anderes als digitale Medien und wie die klassischen Medien auf Gewinn orientiert. Im letzten Jahrzehnt entstand eine ungeheuere Meinungsmacht, die keine Grenzen zu kennen scheint. „Facebook verschlingt die ganze Welt“, so Emily Bell, ehemalige Digital-Chefin des Guardian und Medienwissenschaftlerin an der Columbia School of Journalism.
Rolf Schwartmann schlägt wegen dieser Gefahren, die sich aus der Plattformökonomie ergeben, in der FAZ (vom 22. Mai 2019 Seite N 4) vor, das höchstrichterlich bestätigte „duale System“ von privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern, als Vorbild für eine Regulierung dieser digitalen Medien zu nehmen. Facebook & Co müssten lediglich „eine zweite Säule einblenden, die zeigt, welches Ergebnis der Nutzer nach den Kriterien einer ausgewogenen Meinungsbildung bekommen hätte.“
Nachbemerkung:
Endlich – es ist überfällig – scheinen sich die Kartellbehörden in den USA mit den digitalen Großkonzernen (einschließlich Amazon) mit dem Ziel zu beschäftigen, sie zu regulieren und deren Übermacht in den Griff zu bekommen (Handelsblatt vom 5. Juni). Europa war Vorreiter und wurde dafür heftig gescholten.