Bevor die deutsche Wehrmacht 1939 in Polen einmarschierte, verbündete sich Hitler im Geheimen mit Stalin. Die Diktatoren teilten Osteuropa unter sich auf. Nach dem Überfall der Deutschen auf Polen nahmen sich die Sowjets vereinbarungsgemäß die andere Seite vom Osten her. Die Völker um Russland wie die Weißrussen, Balten und Ukrainer hatten schon mit Gründung der Sowjetunion 1922 keine Chance. Die geografische Nähe besiegelte ihr Ende.
1938 annektierte Deutschland große Teile der Tschechoslowakei – mit Zustimmung von England und Frankreich. Die Westmächte wollten einen großen Krieg vermeiden. Gerade dieses „Entgegenkommen“ auf Kosten anderer stoppte Hitler nicht. Nach dieser Niederlage zerlegte sich die Tschechoslowakei politisch. Ich verkürze im Folgenden stark: Nach Polen überrollte Nazi-Deutschland ab Mai 1940 Westeuropa. Frankreich fiel. Spanien war schon in den Händen eines Diktators, Italien auch. England hielt sich noch. Jugoslawien und Griechenland wurden zerschlagen. Am 22. Juni 41 überfiel Deutschland die Sowjetunion. Ein brutaler Vernichtungsfeldzug begann. Ernst Nolte schrieb 1963 vom: „ungeheuerlichsten Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg“ der Neuzeit*. Parallel dazu folgte zunächst der herkömmliche, dann der industrielle Mord an Millionen Juden in Europa. Am 7. Dezember 1941 griff Japan, mit Deutschland verbündet, Haiti an und vernichtete den US-Amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbor. Amerika befand sich nun auch, ob es wollte oder nicht, im Krieg.
Was bis 1945 folgte, wissen wir alle. Eine grausamer Krieg und eine Niederlage Deutschlands und Japans. Die Sowjetunion trug (neben Polen) die menschliche Hauptlast des auf beiden Seiten erbarmungslosen Krieges. Teils wurden tausende Sowjetsoldaten ohne Ausrüstung und Waffen an die Front beordert. „Kanonenfutter“ werden zynisch solche Opfer genannt. Die Amerikaner unterstützten die Sowjetunion massiv mit Waffen, Material und Geld, schienen doch die Sowjets die einzigen, die in der Lage waren, mit den Amerikanern und Engländern gemeinsam den Krieg zu beenden. 1944 im Rausch des kommenden Sieges stellte Stalin Forderungen. In Jalta auf der Insel Krim verhandelten Churchill, Roosevelt und Stalin. Noch war Japan nicht besiegt. Die Westmächte brauchten die Sowjetunion. Dann fielen die beiden amerikanischen Atombomben auf Japan.
Nach dem Potsdamer Abkommen 1945 kamen rund zwei Drittel Osteuropas in den Einflussbereich der Sowjetunion, einschließlich eines Teils Deutschlands. Die staatlichen Grenzen wurden zugunsten der Sowjetunion erheblich nach Westen verschoben. Die Länder, die es betraf wie Polen, Rumänien, Ungarn und die Tschechoslowakei wurden weder befragt noch vom Krieg entschädigt. Jugoslawien mit Staatsführer Tito und Albanien mit Diktator Enver Hoxha widersetzten sich Stalins Übernehme erfolgreich. Alle zusammen waren froh, dass der schreckliche europäische Krieg ein Ende fand. Diese Nachkriegsordnung hielt bis zu den europäischen Freiheitsrevolutionen von 1989.
Die Hauptlast der Nachkriegsordnung trugen – ziemlich unbemerkt und gern verdrängt – vor allem die Mittel- und Osteuropäer. Sie konnten bis 1989 nicht frei entscheiden, während Westeuropa einschließlich Westdeutschland mit den USA verbündet sich prächtig entwickelten. Über die Jahre gewöhnten sich viele an den Gedanken, die Sowjetunion sei ein Staat wie jeder andere. Dass Stalin mit Hitler 1939 ohne Skrupel gemeinsame Sache machte, blieb nicht warnend im Bewusstsein. Stimmen wie die von Milan Kundera („Der entführte Westen“ s.u.) wurden geflissentlich überhört. Zu Recht zahlte der Aggressor Deutschland mit seiner totaler Niederlage und der Teilung des Landes. Die osteuropäischen Staaten hingegen wie Polen und die Tschechoslowakei zahlten mit der erzwungenen Aufgabe ihrer Selbständigkeit. Das war der Preis für den Sieg in Europa und für den Frieden nach 1945. Ein zu hoher Preis? Zunächst wohl nicht, aber im Laufe der Zeit schon.
Wer mit welchem Kompromiss und wer für den Frieden – Kalter Krieg genannt – über viele Jahre zahlen musste, diese Frage betraf vor allem die Länder Mittel- und Osteuropas. Die ursprüngliche Einigung zweier diktatorischer Regime, die die Unterwerfung Europas (zumindest) erleichterte, blieb lange eher im Verborgenen. Russlands totalitäre Diktatur nahmen viele – häufig im Eigeninteresse oder mit schlechtem deutschen Gewissen – hoffnungsfroh hin. So spiegelt sich in der Gegenwart Geschichte.
Zitiert aus Götz Aly: Wie konnte das geschehen? S. 407