Permanent mit Propaganda versorgt zu werden, gehörte zum Leben in der DDR. Abschalten blieb die einzige Rettung. Heute erwische ich mich wieder beim Abschalten. Was ist geschehen? Verkrafte ich die Nachrichten nicht mehr? Woher dieser Überdruss?
Welche Freude kam 1989 auf, als auch hierzulande Medien kritisch zu berichten begannen, als Journalistinnen und Journalisten das sendeten und schrieben, was sie für richtig und für notwendig erachteten. Mit dieser Befreiung merkte ich, dass mir das Abschalten in der DDR leider nur begrenzt geholfen hatte, einiges von der Propaganda war – zu meinem Entsetzen – als falsches Urteil im Unterbewusstsein hängengeblieben.
Heute wirkt die kritische Berichterstattung auf mich manchmal auch wie eine Dauerberieslung, dieses Mal mit schlechten Nachrichten: Schrecken und Schreckliches, kaum Positives, ausgewogene Stimmen fehlen. Die Dauerhysterie in den Medien geht mir aufs Gemüt. Ich lebe zwar inmitten von offenen und hilfsbereiten Menschen, aber die Gesellschaft und Welt scheinen kurz vor dem Abgrund und Untergang zu stehen. Stimmt das? Nein, aber mein Unterbewusstsein grummelt: „Es wird tatsächlich immer schlimmer – in den Medien.“(DIE ZEIT vom 1.Oktober: „Was nicht in den Zeitungen steht“ Martin Spiwak)
Da manche mediale Langzeitwirkungen im krassen Gegensatz zum Wollen der Journalistinnen und Journalisten stehen, werden bestimmte fatale Wirkungen nur höchst ungern von den Medien selbst wahrgenommen. Dazu drei Beispiele (die gut nachweisbar sind) aus den 2000er Jahren: In Text und Bild die permanente Verknüpfung von Kriminalität mit Fremden und Ausländern, die generelle Nichtbefassung mit rechtsradikaler Gedankenwelt und die dauerhaft negative Beurteilung des Berufsfeldes Politik, von Politikerinnen und Politikern. Über Jahre haben sich der Darstellung folgend die entsprechenden Vorurteile oder Leerstellen in unseren Köpfen als Wahrheit oder Unwissen verankert.
So ist dann auch gut nachzuvollziehen, wenn die New York Times zu der (endlich) selbstkritischen These kommt: „Der Journalismus hat mitgeholfen, Trump den Boden zu bereiten […]“. Aus DIE ZEIT: „Wie die Medien die angeborene Schwarzseherei verstärken – und damit für Verdruss und Entmutigung sorgen.“