Nur wenige Journalistinnen wagen es so wie Anne Will zu formulieren: „Ich bin verunsichert“, ZEIT ONLINE. Bei genauem Hinsehen und Hinhören trifft die gegenwärtige Verunsicherung durch einen Virus eine ganze Branche. Aber warum?
Zunächst fehlen noch, wie kann es anders sein, substanzielle Analysen und leider auch (bis auf Ausnahmen) professionelles Nachdenken. MEEDIA titelt wie ich finde falsch „Journalismus in der Krise“. Aktuell befindet sich der professionelle Journalismus nicht in der Krise. Im Gegenteil. Zwar gehen besorgniserregend die kommerziellen Werbeeinnahmen zurück (das ist ein Thema), doch Ansehen und offensichtlich auch Auflagen / Reichweiten journalistischer Medien steigen deutlich. Die klassischen Medien erreichen wieder mit unaufgeregtem Journalismus das Publikum. Eine große Chance.
Trotzdem werden Stimmen lauter, die fordern, die Medien sollten nun endlich wieder kritischer sein. Das heißt, sie sollen ihr gegenwärtiges Erfolgsrezept schnellstmöglich verlassen? Dabei wäre doch zuerst die Frage zu beantworten, ob der Journalismus heute einiges besser macht als früher? Warum bekommen die Medien völlig unerwartet einen solchen Zuspruch?
Keine Frage: Basis für dauerhaften Erfolg ist nicht die Kritik der Kritiker, sondern der Zuspruch des Publikums. Bleibt die Frage: Warum verschwinden rechte und linke Populisten plötzlich in der Bedeutungslosigkeit? Warum? Verändert haben sich deren Ziele nicht. Fehlen als Resonanzboden für ihre exzessiven Auftritte mediales Dauerfeuer und journalistische Empörung?
DIE WELT bemängelt: „In einem Tempo, wie es das in der Bundesrepublik noch nie gab, festigen die Regierenden gerade das Primat der Politik“. Ja, aber wer anders als die gewählten Politikinnen und Politiker sollten in der Demokratie schlussendlich entscheiden? Journalisten? Nein. Ich hoffe, dass die journalistischen Medien wieder dauerhaft zu ihrer schwierigen Aufgabe zurückkehren, klug und kritisch Kommunikation zu realisieren.
Die Verunsicherung durch einen Virus führt zu mehr gegenseitiger Rücksichtnahme und mehr Verständnis für einander. Das ist eine gute Nachricht, auch wenn gute Nachrichten für Medien schwer zu verdauen sind.