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Mit eigenen Augen gesehen: Nicht in der Mitte liegt die Wahrheit.

Ohne Zweifel wissen wir zu wenig über Russland und wie die Menschen dort denken. Diese Lücke füllt Moritz Gathmann (Cicero). Gathmann, gestern auch in der LVZ, S.3, beschreibt einfühlend und kenntnisreich, wie Putin Russland verändert hat. Das „Verlockende“ an Putins Propaganda sei: „Russland. Russland rettet seine Landsleute, Russland unterbreitet Friedensvorschläge, Russland nimmt Flüchtlinge auf. Die Schuld für die tragischen Ereignisse in der Ukraine trägt dagegen der Westen.“ Erfolgreich sei dieses Vorgehen deshalb, weil es „die Sehnsüchte der Menschen befriedigt. Schlüsselmoment der Konsolidierung zwischen Regime und Bevölkerung war die Annexion der Krim […].“ Gathmann: „Der bekannte Historiker Andrei Subow spricht von einer ‚nationalen Psychose‘ […].So wie die Deutschen sich die Niederlage von 1918 mit dem ‚Dolchstoß’ erklärten, so sei der Zusammenbruch der Sowjetunion im Volksbewusstsein die Folge von ‚Verschwörung und Verrat‘ durch die Feinde. Der Feind – das sind die USA und die NATO, der Verräter heißt Michail Gorbatschow […].“ Moritz Gathmann zu Unterschieden: „Bei ‚Maidan’ denke ich an die friedlichen Demonstrationen von Hunderttausenden gegen einen korrupten Präsidenten, mit denen alles begann. Russen hingegen denken an bewaffnete Faschisten […]. Beim Stichwort ‚Slawjansk‘ erzählen die Russen von angeblichen Napalmangriffen auf friedliche Zivilisten, und ich erzähle vom russischen Ex-Geheimdienstler Igor Strelkow, der die Stadt in seine Gewalt brachte und damit den bewaffneten Konflikt erst auslöste […]“. Schließlich resümiert Gathmann: „Wohlmeinende Freunde und Verwandte sagen meist irgendwann versöhnlich: Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Aber als Journalist, der alles mit eigenen Augen gesehen hat, muss ich ihnen entgegnen: Nein, dort liegt sie nicht.“

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