Da bricht vor unser aller Augen das alte Mediensystem zusammen und was macht die Kommunikations- und Medienwissenschaft? Sie schweigt. An der öffentlichen Debatte jedenfalls nehmen Kommunikationswissenschaftler nicht teil. Die Ausnahmen sind an einer Hand abzuzählen. Während sich die Gesellschaft infolge der Digitalisierung dramatisch verändert, fehlen in der Öffentlichkeit Wissen und Klugheit der Kommunikationswissenschaft schmerzlich. Eine fundierte Analyse des Medienwandels liegt nicht vor. Dabei hat sogar schon der Dümmste begriffen: Hier und heute passiert etwas Unerhörtes. Und so holte er aus der „untersten Schublade“ den Kampfbegriff „Lügenpresse“ hervor, um damit – auch – etwas zu beklagen, was er und sie nicht verstehen.
Unbestritten ist, unsere Kommunikationswelt befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Manche sprechen von der dritten Medienrevolution, die uns gerade ereilt, und die Kommunikationswissenschaftler feilen an Dissertationen und diskutieren in geschlossenen Kreisen. Für mich grenzt dieses öffentliche Schweigen an Verantwortungslosigkeit.
Das besondere Dilemma dabei brachte Dr. Carsten Brosda, Hamburg, in einer Diskussionsrunde in Leipzig erstaunlich offen auf den Punkt: „[…] eine forschende Annäherung an gesellschaftliche Kommunikationsprozesse gelingt nicht aus der Rolle des Beobachters, sondern nur aus der des Teilnehmenden […]“. [61. Jahrestagung Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft DGPuK in Leipzig „100 Jahre Kommunikationswissenschaft in Deutschland“]
Einer der wenigen Kommunikationswissenschaftler, die sich öffentlich äußern, ist Bernhard Pörksen. Pörksen schrieb vor knapp einem Jahr in DIE ZEIT unter der Überschrift: „Wo seid Ihr, Professoren?“ mit dem Resümee in der Unterzeile: „Das Wissenschaftssystem drängt seine besten Denker ins Abseits. Ihre Stimmen fehlen in den gesellschaftlichen Debatten. Das ist fatal.“ Und noch bitterer im Text: „An die Stelle des Zorns über die Verhältnisse in der Welt und an die Stelle des interpretativen Abenteuers mit offenem Ausgang ist die Sorge getreten, ob man genug Drittmittel eingeworben und ausreichend Aufsätze in internationalen Zeitschriften publiziert hat.“ Solls das wirklich gewesen sein?
Anmerkung: Der Autor äußerte sich in der o.g. Diskussionsrunde ebenfalls, bei YouTube [1:25] aufgezeichnet.