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Facebook und der Ablasshandel

Der Vergleich hinkt – ich weiß. Vor 500 Jahren sagte Johann Tetzel den Leuten, worum es geht: Sobald der Gülden im Becken klingt, im huy die Seel im Himmel springt. Den Armen drohte, wer nicht folgte, das Fegefeuer. Bereitwillige Zahler hingegen konnte sich von Sündenstrafen entlasten. Heute scheint zu gelten: Die Seele in den Himmel springt, wenn wir in der Welt von Facebook und Amazon sind. Wir bezahlen mit unseren persönlichen Daten, obwohl wir – bei Lichte betrachtet – nicht wissen, was wir da eigentlich tun und was mit unseren Daten geschieht. Da die Angebote so wunderbar kostenlos sind, gibt es weder einen Anreiz, sich Gedanken zu machen, noch sich anzustrengen, alternative Angebote zu entwickeln. Das ist zwar teuflisch, fällt aber nicht weiter auf.

Der Ablasshandel war vor 500 Jahren für den Papst in Rom ein einträgliches Geschäft. „Die Kommerzialisierung von Glaubensinhalten in dieser Größenordnung war ein Novum“, so Ludwig Schmugge. Erst als Landesfürsten sich ärgerten, dass enorm viel Geld nach Rom zum Bau des Petersdoms floss, und ein paar von ihnen sich im Ärger einig waren, von da an unterstützten sie den Professor Martin Luther im fernen Wittenberg. Das führte schließlich zum Erfolg der Reformation.

Solange sich heute die Zeitungsfürsten und Intendantenkönige in Europa gegenseitig bekriegen, solange werden die IT- Päpste im Silikon Valley ihre einträglichen Geschäfte auf unsere Kosten weiter betreiben können. Die Internet-Konzerne bezahlen trotz riesiger Gewinne kaum steuern. Heute wie vor 500 Jahren ausgelöst durch eine mediale Revolution: Die Kommerzialisierung von persönlicher Kommunikation ist in dieser Größenordnung ein absolutes Novum – der Ablasshandel hingegen nicht.

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