Wenn ich mir im Wahlkampf anschaue, was alles an Merkel, Schulz, Özdemir, Lindner u. a. kritisiert wird, dann wird mir schwindlig. Was sollen denn um Gottes Willen die Politikerinnen und Politiker alles leisten? Erwartet wird völlig Unmögliches, nämlich alles: Meine Arbeit zu regeln, meine Mühe zu lindern, meinen Ärger zu verstehen, meinen Verdruss zu mindern, meine Familie zu stärken, meine Kinder zu erziehen und am besten, auch das Geld als Grundeinkommen mit zu verdienen, den Kapitalismus abzuschaffen, die US-Amerikaner zur Räson zu bringen und das Klima zu schützen. Und um nicht zu vergessen: Gerecht soll es zugehen.
Wir halten zwar von den Politikerinnen und Politikern nichts, glauben nicht an ihre Ehrlichkeit und Kompetenz, an Weitblick und Kreativität. In dieser Hinsicht haben die Medien ganz Arbeit geleistet (denn die Politikerin nebenan ist ganz flott, er ziemlich nett). Doch das Verrückte daran – trotz allem Ungemach mit der Politik – die Politikerinnen und Politiker bleiben die Adressaten vom Glück und Unglück dieser und der eigenen Welt. Auf unseren Forderungskatalog legen wir immer mehr hemmungslos oben auf. Wählerische Hochstapelei ist das und der Absturz in die Enttäuschung vorprogrammiert. Doch, da wir die politisch Verantwortlichen dafür schon kennen, kein Problem.
Vom Wert ruhigen verlässlichen Regierens und abgewogenen politischen Handelns – damit ich mein Leben selbstverantwortlich gestalten kann – davon ist keine Rede, es sei denn, diese Art des Regierens wird als langweilig gescholten. Sicherlich, der Wahlkampf kippt einiges aus den Fugen. Der Wettbewerb politischer Ideen fährt schneller, als es nüchterne Realität erlaubt. Jedoch irgendwann, so hoffe ich, werden die Maßstäbe, die wir an die Politik legen, wieder realistischer werden. Wir sind es, die die Politik in diese elende Rechtfertigung bringen. Dabei wäre manchmal schon viel des Guten getan, wenn die Politik nach der Wahl Unsinn vermeidet, der im Wahlkampf – real oder scheinbar – vom Wählervolk abverlangt wurde. Wahr ist wie im Märchen, Politikerinnen und Politiker sind ohne Kleider so nackt wie wir.