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Bürgerbeteiligung im Baukastensystem (Vortrag in München*)

Aufsehen und politische Hektik erregen Planungen oder Baumaßnahmen stets dann, wenn ein Projekt „aus dem Ruder läuft“ und Proteste über den lokalen Rahmen hinaus wirken. Sprichwörtlich dafür steht Stuttgart 21. Ansonsten scheinen heute die Verantwortlichen eher geneigt, die Probleme „flach zu halten“ und wieder lieber die Bürgerinnen und Bürger außen vorzulassen. Das schürt Verdruss.

Ideenquartier und Wortgebrauch entwickelten aus langjährigen Erfahrungen ein Baukastensystem, nach dem bei einer geplanten Öffentlichkeitsbeteiligung generell vorgegangen werden kann. Das Prinzip beruht auf fünf Schrittfolgen: VEREINBAREN – INFORMIEREN – BETEILIGEN – EINIGEN – ENTSCHEIDEN. Welche einzelnen Bausteine in welcher Kombination zum Einsatz kommen, bestimmen Thema, Zeitpunkt, Umfeld, Akteure und Interessengruppen. Welche Möglichkeiten von Beteiligung und Veränderung bestehen, verantwortet der Vorhabenträger. Von seiner Einschätzung und Klugheit hängt es ab, welche Qualität und Intensität die Öffentlichkeitsbeteiligung erreicht. Echte Öffentlichkeitsbeteiligung ist zwar nicht grenzenlos, muss aber zunächst im Ergebnis offen sein. Die besondere Chance liegt darin, demokratische Verfahren im Sinn von Partizipation und Digitalisierung zu modernisieren und die Bürgerschaft in ihrem Mitgestaltungswillen beim Wort zu nehmen.

Die Öffentlichkeit frühzeitig an Planung und Durchführung von Infrastrukturprojekten, an der Gestaltung von öffentlichen Räumen und von umstrittenen Projekten zu beteiligen, fordern immer wieder Bürgerinnen und Bürger wie auch Politikerinnen und Politiker. Sie wollen nicht nur erfahren, was hinter den Kulissen geschieht, sondern sie wollen mitwirken an dem, was sie unmittelbar betrifft. Doch die Öffentlichkeit zu beteiligen, ist bisher keineswegs üblich geworden. Das Planfeststellungsverfahren schreibt gesetzlich eine Beteiligung vor, doch in dieser relativ späten Planungsphase bleiben die Veränderungsmöglichkeiten begrenzt. Alle anderen Verfahren (beispielsweise nach der VDI-Richtlinie 7001) sind – leider – nicht gesetzlich vorgeschrieben.

In Zeiten von Empörung, Wutbürgern und des Populismus braucht es Weitsicht und Mut sowie Lebensnähe und Kompromissfähigkeit, sich einer solchen Aufgabe zu stellen. Akzeptanz und Zustimmung werden der Lohn sein.

*Vortrag beim Treffen der Pressesprecher deutscher Verkehrsunternehmen in München am 21.April 2016

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