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Antwort auf Populismus: Über eigenen Schatten springen

Niemand hat bisher eine Strategie gefunden, Licht in den aufziehenden Schatten der Populisten zu bringen. Viele zerbrechen sich den Kopf, demonstrieren, schreiben Appelle, halten öffentlich dagegen. Doch die AfD scheint genau deshalb immer mehr aufzublühen.

Zunächst fehlt es daran, die neue Situation in der Welt (Globalisierung, Digitalisierung, Massenkommunikation) gründlich zu analysieren. Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gesellschaftspolitisch verändert? Vielleicht gibt David Goodhart darauf eine Antwort mit Somewheres & Anywheres? (Hier dazu Armin Wolf.) Die traditionell linken Philosophen jedenfalls bleiben in ihren „Elfenbeintürmen“ auf den Antworten sitzen. Das marxistische Weltbild (kurz: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“) erklärt den rechten Populismus nicht (höchstens den linken). Geblieben ist die scharfe Rhetorik am bestehenden kapitalistischen System, an Politik und politischen Akteuren. Vorzüge von Demokratie und Wirtschaft werden als selbstverständlich übersehen. So verhandelt die Linkspartei im Moment darüber, ob die Europäische Union im Wahlprogramm „militaristisch, neoliberal und undemokratisch“ genannt werden solle (MAZ). Für die Wählerinnen und Wähler selbst unterscheidet sich zunehmend die linke Fundamentalkritik nicht von der rechten.

Abhanden gekommen sind unterdessen – und das gilt bei Intellektuellen und Journalisten selten als Verlust  –  die demokratischen Konservativen, also diejenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten den Rechtsstaat, die Institutionen, Demokratie, Politik und – ja – Parteien verteidigten. (Ausnahmen bestätigen die Regel: WinfriedKretschmann, Worauf wir uns verlassen wollen.) Die Konservativen waren im demokratischen System die Vertreter, die sich treffsicher kritisieren ließen, weil sie bestehende Verhältnisse verteidigten. An denen konnte sich der „kritische Geist“ abarbeiten. Kritik wurde zum Wohlfühl-Faktor (und Quotenbringer). Das ist unser Problem im Umgang mit Populisten. Wir müssten über unseren eigenen Schatten springen, um den Gegnern von Demokratie den Wind aus den Segeln zu nehmen. Schaffen wir das?

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