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Die NATO-Osterweiterung aus historischer Perspektive

Vortrag und Gespräch am 8. November 19 Uhr im Zeitgeschichtlichem Forum Leipzig mit Prof. Dr. Mary E. Sarrotte, Professorin für internationale Politik und Zeitgeschichte, John Hopkins School of Advanced International Studies, Washington, D.C./USA und Reinhard Bohse, Vorstand EuropaMaidan Leipzig e. V.

Die politischen Entwicklung nach der 89er Revolution in Mittel- und Osteuropa verlief nicht nur höchst turbulent – was im Wesen einer Revolution liegt – sondern Politik und Realität standen sofort im Kreuzfeuer von Polemik und Propaganda. Die NATO spielte – nach meiner Erinnerung – in der deutschen Öffentlichkeit zunächst kaum eine Rolle, während der Warschauer Pakt bald in der Versenkung verschwand. Doch für die Sowjetunion war es eine gewaltige Niederlage, sich auf Druck und in Folge der Freiheitsrevolutionen nach Russland zurückziehen zu müssen. Diese Niederlage, so meine ich, wurde – wie beim Versailler Vertrag – politisch als vom Westen gewollte Demütigung dem russischen Volk untergeschoben, um die Niederlage der „rumreichen“ Sowjetunion anderen (als der eigenen Elite) „in die Schuhe“ schieben zu können. Dabei war die Sachlage völlig klar: Der sowjetische Imperialismus und Kolonialismus passte nicht mehr in die Zeit. Die Völker bestanden auf Selbstbestimmung und wollten die Rote Armee nach Jahrzehnten endlich nach Hause schicken.

Doch Politik und gesellschaftliche Prozesse liefen 1990 nicht nur auf einer Ebene, sondern waren auch vielschichtig und liefen häufig zeitversetzt. Zunächst musste der Abzug von hunderttausend hochgerüsteten Sowjetsoldaten realisiert werden. Eine gefährliche Herkulesaufgabe. Daneben geschah die unblutige Auflösung einer großen deutschen Armee, nämlich die der NVA, wie fast nebensächlich. 1994 gab der neue Ukrainische Staat alle im Besitz befindlichen Atomwaffen – und das waren nicht wenige – zugunsten staatlicher Integrität und Unverletzlichkeit der Grenzen an Russland ab. Im Gesamtzusammenhang ist es – neben vielen anderen Aspekten – interessant zu wissen, dass die Haupttreiber der NATO-Osterweiterung (aus Sicherheitsgründen) die neuen Osteuropäischen Staaten waren, während das Pentagon (aus Eigeninteresse) eher auf der Bremse stand.

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