Immer wieder werde ich gefragt, warum ich dieses Buch Von einem, der auszog in eine nicht vergangene Zeit als einen Historischen Report 1945-1989 schrieb. Die Antwort (s. auch Podcast Hamouda Verlag, Anton Meyer) liegt auf der Hand: Der kritische Diskurs über die Zeit vor 1989 im Osten fehlt. Bei weitem liegt nicht alles offen zu Tage, was damals geschah. Die Propaganda wirkt bis heute wie ein sanfter Nebel. Hingegen wird auffällig viel über die Zeit nach 1989 geredet – als mühselig Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft aufgebaut wurden. Der „Vorteil“ bei dieser Debatte, nach 1989 kann die „Schuldfrage“ an den Westen und die Wessis abdelegiert werden. Die Zeit der Diktatur bleibt der (meist geschönten) persönlichen Erinnerung vorbehalten und tief in der (durchaus guten) wissenschaftlichen Literatur stecken. Doch seit Februar sind wir nun (keineswegs alle) aufgeschreckt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Warum?
Aus der Vergangenheitsbeschäftigung mit dem Nationalsozialismus hat die demokratische Gesellschaft bezogen auf die östlichen Diktaturen, die nach 1945 die Rote Armee mitbrachte, wenig gelernt. Eine Bearbeitungslücke wird kaum erkannt und wenn, dann beantwortet in dem Sinne, dass endlich die Lebensleistung der Ostdeutschen anerkannt werden müsse. Ja, aber welche? Die widerständige Haltung in der Diktatur oder das angepasste Leben?
Abgedrängt in kleinen Kreisen (und Museen) findet eine Debatte über den mittelosteuropäischen Kommunismus, dessen Geschichte und die Folgen statt. Diese Debatte erreichte in den vergangenen Jahren die Mehrheit nicht. Den DDR-Staat hakten die meisten Ostdeutschen als vergangen ab, das Unangenehme ist verdrängt. Zur gängigen Grundhaltung hat sich die Abwehrhaltung gegen DDR-Kritisches entwickelt (siehe Wanderwitzdebatte). Die „sozialistischen Ideale“ und die damit verbundenen persönlichen Erinnerungen sollen nicht entwertet werden. Heute sei ja alles auch nicht viel besser. Die Demokratie halte auch nicht, was sie einst versprochen hat (als wenn sie irgendwann mal etwas versprochen hätte). Eine der Folgen dieses Denkens: Nicht wenige laufen rechtsradikalen Parolen, linksradikalen Idealen und obskuren Vereinen hinterher. Den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verstehen sie nicht als Angriff auf das demokratische Europa und erst recht nicht als Angriff auf eigene Lebensideale. Dabei ist die Sachlage klar: Das heutige Regime in Russland ist im Kern (und der Ideologie) die Diktatur geblieben, die uns bis 1989 beherrschte.