Wenn die vorherrschende Meinung im Gegensatz zur persönlichen Meinung steht, schweigen viele und halten sich zurück „und zwar umso stärker, je ausgeprägter der Gegensatz ist“ (WIKIPEDIA). Dieses Phänomen der „Schweigespirale“ verschwand im Zeitalter des Internets. Die Hemmungen sind verflogen. Diejenigen, die sich bisher jenseits des Sagbaren befanden, stellen heute im Internet begeistert fest, sie sind nicht allein. Das bestärkt den Willen, endlich die (eigene) Wahrheit laut zu sagen. Sie pochen gleichzeitig empört auf Meinungsfreiheit, wenn sich Gegenpositionen regen. Diesen Ärger mit Widerspruch hatten sie nicht einkalkuliert und meinen, darin Denkvorschriften zu erkennen. Dass jede und jeder ein Recht hat in einer offenen Gesellschaft zu widersprechen, ist ihnen nicht geläufig oder sie wollen es nicht wissen.
Zu den Folgen der veränderten gesellschaftlichen Kommunikation gehört auch, dass die bisherigen Wortführer heute gezwungen sind, mit den Leuten, die in den vergangenen Jahren im öffentlichen Raum keine Rolle spielten, zu reden. Das Internet verschafft jenen Gehör. Doch nicht wenige – Journalisten und Politiker – sind, obwohl sie oder weil sie sich überlegen fühlen, dieser Kommunikation nicht gewachsen, vor allem deshalb, weil sie nicht selten diese Meinungen und auch die Art sich zu äußern für abwegig, unsinnig oder gar gefährlich halten. Anstatt zunächst zuzuhören, klug nachzufragen und nicht auf jeden realen oder vermeintlichen Tabubruch einzugehen, fliehen sie in Empörungsrituale, um nicht in den Verdacht zu geraten, antidemokratischen Positionen das Feld zu bereiten. Die Gegenseite wiederum – hier sind heute die Wortführer meistens von der AfD – stellt genüsslich fest, wieder genau die „wunde Stelle im Mainstream“ getroffen zu haben.
Diese Kommunikation ähnelt Tauziehen. Eine Seite versucht, die andere über den Platz zu ziehen. Eine inhaltliche Debatte findet nicht statt. Das Publikum wiederum sieht dem Streit amüsiert, meistens jedoch verständnislos zu, spürt intuitiv die Schwächen und wendet sich in Scharen ab. Demagogen von rechts bis links, wen wundert es, tummeln sich mit Freuden in dieser Lücke. Doch es gibt endlich Alternativen: Ein Sommerinterview.