„In der digitalen Welt wäscht ein Permaregen der Informationen ganz zentrale Standards wie Objektivität und Wahrheit aus. Die Folge“, so Eduard Kaeser in der NZZ, „eine Demokratie der Nichtwissenwollengesellschaft“. Das ist richtig beschrieben, jedoch nur die eine Seite der Medaille. In der Vergangenheit belieferten Medien eine Mehrheit mit Wahrheit und Wissen. Heute tippt diese Mehrheit selbst auf Displays und schreibt – frei von jeglichen Standards – über ihre Wahrheit. Das Publikum hat sich emanzipiert. Mit Facebook, Twitter und Co erhielt es zur Kommunikation eigene Mittel und Räume. Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen haben hier nur noch begrenzten Zutritt.
Niemand – so scheint es – gibt noch vor, was zu gelten hat. Alle reden, wie es ihnen in den Sinn kommt. „Was sich an Schwachsinn in die sozialen Medien ergießt, ist mittlerweile nicht mehr auszuhalten“, so Sascha Lobo, Spiegel Online. „Es ist ein Segen, dass sich alle öffentlich äußern können, und eine Ernüchterung, auf welche Weise dieses Recht wahrgenommen wird.“ Die „digitale Bohème“ (Lobo) staunt und schaudert. Verwirrung überall. Die journalistischen Informationsmedien der demokratischen Gesellschaft sind erheblich in Bedrängnis geraten. Die Folgen völlig unklar. Algorithmen von Google und Facebook bestimmen immer mehr unser Denken. Und wie immer in Umbruchzeiten weiß niemand, wohin die Reise geht.
Vor 500 Jahren, als der Buchdruck mit beweglichen Lettern die mittelalterliche Welt aus den Angeln zu heben drohte, versammelten sich die Fürsten und machten dem Spuk – dem Münzer an der Spitze des Bauern-Söldner-Heeres – ein Ende. Der bedrohlich Verrückte wurde geköpft. Die Reformation kam – ideell wie kommerziell – in geordnete Bahnen. Mit der protestantischen Ethik ward der Kapitalismus geboren (frei nach Max Weber).
Vergleichbar epochal erwies sich die industrielle Revolution mit Dampfmaschine und Elektrizität. Die heute in öffentlichen Debatten „erkennbare Mischung aus Misstrauen, emotionaler Erregung und dem Wunsch nach Orientierung in einer Welt voller Veränderungen weist eine frappierende Parallele zur Welt des 18. und 19. Jahrhunderts auf. Damals überrollte die industrielle Revolution alles und jeden und veränderte die Sichtweise der Menschen auf sich und die Welt. Heute sorgen globale und digitale Vernetzung für den gleichen Effekt — nur in potenzierter Geschwindigkeit“, so Peter Diekmann in Medium auf Deutsch. Er fordert ein neues Zeitalter der Aufklärung. Andere konstatieren, wie Stephan Russ-Mohl in der NZZ (Beitrag sehr zu empfehlen), nüchtern das Ende der Aufklärung: „Die Informationsmedien laufen Gefahr, im Online-Zeitalter den Wettlauf mit den Propagandisten zu verlieren“.