Die öffentliche Debatte über die Treuhandanstalt 1989/1994 nimmt manchmal skurrile Züge an. Häufig wird heute der Einruck vermittelt, als sei die Treuhand am Zusammenbruch der DDR-Staatswirtschaft Schuld. Gern ausgeblendet wird, dass die DDR nach vierzig Jahren wirtschaftlich und gesellschaftlich am Ende war. Jeder, der mit offenen Augen und selbständig denkend in der DDR lebte, konnte das erkennen. Sicherlich, die Treuhand hat sich wohl kaum mit Ruhm bekleckert, aber den Ruin der DDR-Wirtschaft ihr in die Schuhe zu schieben, führt völlig an der Realität vorbei und schont diejenigen, die für den Ruin letztlich die Verantwortung tragen. Wahr bleibt, die Vereinigung verlangte ungeheuere Anstrengungen der Ostdeutschen, ohne Verluste lief sie nicht ab – und wenn es der Verlust an Illusionen über den Westen war.
Alles, was sich nach 1989 in Ostdeutschland – positiv wie negativ – entwickelte, ist ohne die vorhergehende Geschichte nicht zu begreifen. Dem Nationalsozialismus und Krieg folgten unmittelbar sowjetische (stalinistische) Besatzung und 40 Jahre Deindustrialisierung (Enteignung) und Kollektivierung. Was Nazis und Krieg nicht zerstörten, ging nach 1945 als Reparationen an die Sowjetunion. Ganze Betriebe und Wirtschaftsanlagen verschwanden in Richtung Osten (und vergammelten nicht selten dort). Zum Anfang der DDR (bis zu Stalins Tod) wurden Jahr für Jahr etwa 200 Menschen in der DDR verurteilt und in Moskau erschossen. Etwa zwei Millionen Menschen flohen seit den 50er Jahren (und später noch einmal Hunderttausende).
Seit 1961 stand um die DDR eine Mauer. Die Grenzanlagen waren undurchlässig und mehrere Kilometer tief gestaffelt. Menschen, die 28 Jahre gefangen gehalten wurden (mit etwas Auslauf zwischen Ostsee und Erzgebirge), sind einfach nicht sonderlich leistungsfähig und kreativ. Was nicht heißt, dass die Leute sich nichts einfielen ließen, um mit den Zuständen irgendwie persönlich zu recht zu kommen. Im Gegenteil. Doch an der Gesamtsituation änderte das nichts.
1989 waren Wirtschaft und Gesellschaft jämmerlich geschrumpft. Die DDR-Orte zeigten sich in einem heute kaum noch vorstellbar desolaten Zustand. Luft und Wasser unerträglich verschmutzt. Die Städte, außer Ostberlin, sahen allesamt aus wie nach Krieg. Auch deshalb demonstrierten 1989 mehrere Hunderttausende Woche für Woche, obwohl zu schießen angedroht war.
Die SED-Staatspartei* hatte uns 28 Jahre eingemauert und wer öffentlich ein deutlich kritisches Wort wagte, verschwand ohne viel Federlesens im Knast. Infolge degenerierte ein ganzes Land. Der Mythos von der „schrecklichen“ Treuhand verdeckt und vernebelt Geschichte und Verantwortung. Ausverkauf und Niedergang hatten schon mit der Gründung der DDR begonnen.
*Noch 1989 nannte sich diese Partei in PDS um und tauchte schließlich in der Linkspartei unter