Oschmann hat sich ordentlich Luft verschafft, seiner Wut freien Lauf gegeben und – wie es so schön heißt – das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. In diesem Fall – kein Wunder – fiel ein ostdeutsches Kind aus der Wanne. Sein Schicksal interessiert Oschmann nicht, sondern nur die Beschreibung. Für das Buch „Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ möchte ich keine weitere Werbung in die Welt setzen. Das Buch bringt keinerlei neue Erkenntnisse (was man von einem Professor hätte schon erwarten können). Oschmann bestätigt lediglich die Opferrolle der Ostdeutschen. Doch in einem hat Oschmann vollkommen Recht: Ostdeutschland und seine Bewohner werden vor allem aus westdeutscher Perspektive beschrieben und erklärt. Das ist ärgerlich, macht missmutig und bringt neuerlich Distanz. Die Gründe dafür sind jedoch höchst vielfältig und liegen nicht immer auf der Hand. Ich nenne nur drei kurz: Die DDR-Medien (und deren Journalisten, es waren vor allem Männer) hatten als Handlanger einer Diktatur so ihr Ansehen verspielt, dass sie nach 1989 keine Chance mehr beim Publikum hatten. Zweitens: Nicht selten verweigern sich Ostdeutsche einer gepflegten Debatte mit Argumenten. Farbe bekennen Fehlanzeige. Wenn ich auf Lesungen unterwegs bin, mein Buch beschreibt unsere ostdeutsche Geschichte kritisch, dann trauen sich – im Osten – in der Regel weder Frau noch Mann zu widersprechen. Zustimmung geben sie gern. Drittens: Die Klarheit und Schnelligkeit von Debatten sind wir nicht gewöhnt und haben – auch nach dreißig Jahren – weniger Übung als die Westdeutschen nach 70 Jahren. Was wir gut können ist, wenn die (scheinbare) Bevormundung ein Maß überschreitet, kräftig auszurasten. So gesehen ist Oschmann ein typisch Ostdeutscher. Er hat die Chance vertan, seine Sicht auf den Osten darzustellen und nicht nur Wut über den Westen zu zelebrieren.