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Opfer im Osten (I)

Politik und öffentliche Meinung haben nach 1990 – geprägt durch die Medien in West und in (!) Ost –  die ostdeutschen Frauen, Männer, Familien ziemlich durchgehend zu Opfern stilisiert. Opfer zu sein wurde hier (zunächst) auch dankbar angenommen. Wo liegen die Gründe? Wie sind die Zusammenhänge? Wie die Folgen?

Vor 1989 beschrieben die Westmedien die DDR-Wirklichkeit in der Regel zwar zutreffend, aber meistens nur bruchstückweise. Die Einordnung und Bewertung fiel abgeschottet durch die Mauer schwer. Die Ostmedien hingegen (und die darin tätigen Journalistinnen und Journalisten) unterstützten die DDR fast ausnahmslos bis zu ihrem Ende 1989. Die Schuld zuzugeben, einer Diktatur gedient zu haben, fällt ihnen schwer. Kein Wunder, ihr Job und ein ganzes Leben hängen daran. Ausflüchte liegen auf der Hand: Die DDR war gar nicht so schlimm wie überall dargestellt.

Die Westmedien (und die darin tätigen Journalistinnen und Journalisten) kritisierten – vor und nach 1989 –  ihr vom Kapitalismus (und Wohlstand) geprägtes System. Völlig zu Recht empfinden sie es als Aufgabe, ihre Gesellschaft zu kritisieren, auch wenn sie dabei nicht selten das Kind mit dem Bade ausschütteten. Nach 1989 staunten sie nicht schlecht, manche waren angewidert, als die Ostler ihr heftig kritisiertes Gesellschaftsmodell plötzlich zum Ziel auserwählten. Was soll denn das werden?

Um mit ihrer bisherigen journalistischen Einschätzung Recht zu behalten, musste das Ziel „Westen“ falsch sein. Zwischen den Zeilen spürten wir im Osten schon 1990 diese Ablehnung. Man lese nur mal die taz von damals. Gruselig. Diejenigen, die sich aus dem Westen kommend positiv zur deutschen Vereinigung äußerten, wirkten manchmal nicht minder problematisch. Denn sie hatten in der Regel wenig Ahnung, wie das Leben „hinter der Mauer“ im Alltag tatsächlich ablief, klopften aber den Ossis gönnerhaft auf die Schultern. Sie werden die ersten sein, die von den Undankbaren im Osten sprechen.

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