Lesungen und Musik im Herbst
Am Dom in Bautzen. Am 7.Oktober 18.30 Uhr werde ich zum 68. Literaturcafé in Bautzen meinen Historischen Report 1945-1989 vorstellen: Von einem, der auszog in eine nicht vergangene Zeit – Leben diesseits der Mauer. Edition Hamouda Leipzig 2021.
Das Literaturcafé im Ökumenischen Domladen (An den Fleischbänken 5) hat eine bis auf das Jahr 2008 zurückgehende Tradition. Heute wird das Literaturcafé geleitet von Barbara Pohl, die – was uns jetzt erst klar wurde – ihre erste Schulzeit in meinem Heimatdorf verbrachte. Mich verbindet mit Bautzen darüber hinaus eine langjährige Freundschaft. Mit Andy W. ging ich in Meißen zur Schule und wir musizierten über viele Jahre gemeinsam, dabei neigte er eher der alten Musik zu und spielte brillant auf der Gitarre.
Mit Bautzen verbindet sich für mich außerdem die Erinnerung daran, dass die DDR hier im Ort über Jahre politische Verurteilte unter üblen Bedingungen maßregelte und gefangen hielt. Wie häufig im Ostblock wurden diese Zuchthäuser möglichst nahe der Grenze zur Sowjetunion eingerichtet.
Im Alten Bahnhof zu Leuben. Am 5. November 18 Uhr lese ich aus meinem Buch in meinem Heimat- und Geburtsort Leuben. Den musikalischen Rahmen mit Swing und Cooljazz gestalte ich am E-Piano gemeinsam mit Eberhard Amende am Kontrabass. Hier am Bahnhof kam ich über viele Jahre mit dem Zug an (Strecke Riesa-Nossen) und fuhr von hier aus in die mir zugängliche Welt hinaus. Hier holte ich vom Bahnhof meine Freunde zum Musizieren und Diskutieren ab. Der Bahnhof von 1880 wurde (privat) wunderbar restauriert (Fenstereinfassungen aus edlem Elbsandstein). Die Bahnstrecke ist gut erhalten, wenngleich seit Jahren stillgelegt.
In meinem Historischen Report spielen die 50er Jahre und das Dorfleben eine herausgehobene Rolle. Nun bin ich gespannt wie mein Blick auf das widersprüchlich- wunderbare Leben heute erinnert wird. In meinem Buch schrieb ich aus meiner Sicht als gottesfürchtiger Junge und Junger Pionier. Während die Gesellschaft in der Mitte der 50er Jahren noch relativ offen schien, verschärfte die Zwangskollektivierung um 1960 das Leben auf dem Land politisch und wirtschaftlich. Ich bemerkte als Sohn des Schuldirektors und Sohn der Unterstufenlehrerin Bohse von alle dem nichts. Bei mäßiger Anstrengung und mit wenig Erfolg lernte ich bei Fräulein Schimral in der Kantorei Klavier spielen ….
Bei Oscar Schlemmer zu Gast. Am 2. Dezember 16.30 Uhr (Beginn korrigiert) lese ich im Haus von Dr. Rabe in Zwenkau aus meinem historischen Report 1945-1989. Das Haus ist südlich von Leipzig ein Kleinod im Stil des Bauhauses. Die weitgehend erhaltene künstlerische Innenausstattung gestaltete 1930 Oscar Schlemmer. Großartig. Ungewöhnlich, dass diese Innenausstattung über die Jahre erhalten blieb. Aus der Entstehungszeit des Hauses spiele ich Kompositionen, die Jazzstandards wurden. Mit dabei meine Musikerkollegen Henry Wilhelm an der Posaune und Eberhard Amende am Kontrabass – Jazzmusik im Wechsel mit meiner Lesung aus dem Historischen Report 1945-1989.
Mein Report hat mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine an besonderer, ja, an befürchteter Aktualität gewonnen. Das Regime, das uns Deutsche zunächst gemeinsam mit den westlichen Alliierten von Krieg und Nationalsozialismus befreite, beherrschte uns Ostdeutsche über 40 Jahre lang diktatorisch und nannten das Land demokratisch. Die DDR und die sowjetische Besatzung bis 1989 haben als System eine große Ähnlichkeit zum heutigen Regime in Russland. Zumal Putin – welche personelle Kontinuität! – in Dresden (und auch in Leipzig) als junger KGBler „sein Handwerk“ als Propagandist, Spitzel und Zersetzer lernte.