Eine neue Mauer?
Die Brandmauer zur AfD von heute erinnert an den antifaschistischen Schutzwall von gestern. Verbal verfolgen beide aus Sicht der Bauherren ein gleiches Ziel, Menschen vom Faschismus fern zu halten.
Im Fall der DDR-Mauer ist die Sachlage heute klar: Die Berliner Mauer mit dem Schutz vor Faschismus in Verbindung zu bringen, war reine Propaganda. DDR-Grenzer schossen auf Menschen, die dorthin wollten, von wo der Faschismus herkommen, wo er seinen Ursprung haben sollte. Durchaus nicht wenige – in Ost und West – glaubten an einen antifaschistischen Sinn dieses unmenschlichen Bauwerks. Zu verführerisch ist, dem Kapitalismus die Schuld am Faschismus in die Schuhe zu schieben (Max Horkheimer). Dass sich die DDR einen Dreck um den Faschismus in den eigenen Reihen – hinter der Mauer – scherte, gehörte zum Wesen dieses Landes. Vgl. Die braune Saat: Antisemitismus und Neonazismus in der DDR. Harry Waibel.
Welche Funktion und Folgen hat die heutige politische Brandmauer? Sie soll politisch abgrenzen. Ja, für mich ist die AfD-Partei faschistoid. Sie gefährdet unser demokratisches Gemeinwesen. Ich würde niemanden empfehlen, mit dieser Partei zusammenzuarbeiten oder gar zu koalieren. Doch die Brandmauer hat sich bisher noch nirgendwo als nützlich erwiesen. Nach Umfragen zu urteilen, ist diese Partei erfolgreicher denn je.
Die Brandmauer zur AfD ist politisch bequem. Politik und Medien halten sich damit Ärger vom Hals und müssen sich nicht mit dem Denken und Handeln dieser Partei auseinandersetzen. Das bleibt (generös) den Familien und Freundeskreisen vorbehalten. Die Politik (der höheren Ebenen) muss sich nicht der unangenehmen Frage stellen, ob es ungelöste Probleme sind, die hoch kochen und Menschen zur AfD treiben.
Geschützt durch diese Art von neuer Mauer können diese Politikerinnen und Politiker der eigenen Agenda folgen und zwar der, die sie selbst für richtig halten. Sie können – und das macht manchen richtig Spaß – mit großer Empörung auf die verweisen, die die Brandmauer angeblich durchlöchern oder tatsächlich umgehen wollen. Die Empörung sichert moralische Überlegenheit und beweist (scheinbar) die politische Standfestigkeit gegen Rechts. Mit der Sache oder den Menschen vor Ort müssen sich diese ‚Aufpasser‘ nicht mehr auseinandersetzen. Dass rechts von der Mitte die Hälfte der Gesellschaft beheimatet ist (oder sein kann), spielt dann auch keine Rolle mehr.
Unbequem wird die politische Mauer dann werden, wenn es dahinter so nachhaltig stinkt, dass die normalen Bürger sich grob belästigt fühlen und keine Ruhe mehr geben. Dann kann es allerdings – wie das historische Vorbild zeigt – zu spät sein. Die Gesellschaft braucht das Gespräch und die Debatte mit den Menschen. Deshalb bin ich gegen diese neue Mauer.