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Die blockierte Gesellschaft

Liberalen Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass für jeden sowie jedes selbstverständlich Lobbyisten und Beratungsfirmen unterwegs sind. Egal, ob groß oder klein, wichtig oder unwichtig. Minderheiten sind geschützt. Die Folge, wenn etwas durch die Regierung (oder beispielsweise ein Landratsamt) neu geregelt werden soll, melden sich diejenigen, die es besser wissen, zu Wort. Leise, wenn sie im Vorlauf beteiligt werden, lautstark, wenn das nicht der Fall ist. In beiden Fällen führt das Aushandeln dazu, dass das Ziel verwässert wird. Manchmal bis zur Unkenntlichkeit. Alle blockieren sich gegenseitig. Lösungen kommen, wenn überhaupt, halbgar zustande. Unzufrieden sind alle. Die einen sagen locker, das ist unsere Demokratie, die anderen ärgern sich, bis sie sich Extremen zu wenden. Die Lockeren finden aufgrund von Geist und Geld ausreichend Mittel und Wege, sich ihr Recht zu verschaffen. Extreme bekommen – ironischerweise hoffnungsfroh – Zulauf.

Merkwürdig ist – aber auch logisch – einigen brisanten Themen gelingt es, sich dennoch durchzusetzen. Zum Beispiel: Die Gesetze zur Cannabis Freigabe und zur freien Geschlechterwahl. Logisch: Die Gegner hatten sich noch nicht verbündet oder noch nicht begriffen, welche fatalen Folgen beides haben könnte. Für das normale Publikum stellt sich jedoch die quälende Frage, warum die Regierung solche (eher vorsichtig gesagt merkwürdigen) Themen auf die Reihe bekommt, die wichtigen hingegen – wie zu Wirtschaft, Migration und Klima  – nicht selten in der Debatte stecken bleiben oder schließlich vergeigt werden. Mit den Problemen der Leute, ob sie uns gefallen oder nicht, müssen wir uns beschäftigen, wenn wir die offene Gesellschaft vor ihren Feinden* schützen wollen. Wenn nicht wir den gordischen Knoten lösen, dann schlagen andere auf ihre Art zu.

* nach Karl Popper

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