Quer über den Globus feiern autoritär-populistische Parteien Erfolge. Diese „Bewegungen“ reichen von PEGIDA und AfD in Deutschland, von Urban in Ungarn, Kaczyński in Polen, Ciolacu in Rumänien, Le Pen in Frankreich bis Trump in den USA und Golzonaro in Brasilien. Die liberale Demokratie steht unter erheblichem Druck. Jetzt rächt sich, dass nie – so meine Position aus dem Osten – ausreichend gründlich über die gesellschaftlich-sozialen Ursachen debattiert wurde, die zum Nationalsozialismus einerseits und zum Kommunismus andererseits führten. Die Debatten darüber verharrten häufig im einfachen Links-Rechts-Gut-Schlecht-Schema oder blieb stecken in marxistischer Kritik am Kapitalismus als Ursache allen Übels. Heute sehen wir, mit keinem von beidem können wir die Ursachen der „neuen Bewegungen“ genau genug beschreiben. Warum sind die (meistens) Herren bei vielen Menschen so erfolgreich? Warum treffen sie den Nerv großer Bevölkerungsteile? In Sachsen 25%!
Antworten geben und Vorschläge unterbreiten Armin Schäfer und Michael Zürn äußerst klug analysiert in ihrem Buch Die demokratische Regression (Suhrkamp 2021). Eine der Grundthesen: „Wer den Populismus erklären möchte, darf die Augen vor den Schwächen der Demokratie nicht verschließen.“
Sie heben dabei zwei Mechanismen hervor, die sich negativ auswirken, nämlich erstens, dass „politische Entscheidungen eine Schieflage zugunsten der Bessergestellten aufweisen“. Daraus folge der Eindruck, dass „die repräsentative Demokratie [ … ] und die Medien kein Ohr für den einfachen Mann (!) auf der Straße“ hätten. Zweitens haben sich „in den letzten drei Jahrzehnten in beachtlichem Ausmaß Entscheidungskompetenzen von Mehrheitsinstitutionen“, also von Parteien und Parlamente zu „nichtmajoritären Institutionen“ wie Gerichte und Institutionen verschoben. „Vor dem Hintergrund dieser beiden Mechanismen entsteht bei vielen Menschen der Eindruck, sie würden von der Politik nicht länger wahrgenommen […].“ (S.18/19).
Die Ursachen für den Aufstieg des autoritären Populismus sollten, so meine ich, nicht gebetsmühlenartig anklagend in den neuen autoritären Bewegungen gesucht werden, sondern selbstkritisch in der liberalen Demokratie gefunden werden – damals wie heute. Die linken und rechten Populisten können wir nicht verändern, bestenfalls im Zaum halten. Die liberalen Demokratien können den Boden, auf dem die Populisten gedeihen, kräftig umpflügen und bearbeiten. Ebenso grundlegend für eine gute Ernte ist zu wissen, was in den Jahren zuvor auf den Böden dort wuchs.