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Beteiligen oder nicht beteiligen ist hier die Frage

„Obwohl fast alle Bürgerinnen und Bürger sich von Infrastrukturprojekte in ihrem direkten Umfeld betroffen fühlen […], ist nur eine Minderheit bereit, sich aktiv in den politischen Prozess einzubringen und ihn mitzugestalten“, besagt eine Studie des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen (CSI) Universität Heidelberg. Aus den Ergebnissen der Befragung schlussfolgern die Wissenschaftler: „Bürgerbeteiligung – theoretisch erwünscht, aber praktisch verschmäht“.

So einen Schluss zu ziehen geht an der Wirklichkeit vorbei. In meiner Praxis erlebe ich:

1. Wenn keine Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten angeboten wird, werden die Betroffenen hellhörig. Die ersten melden sich laustark zu Wort.

2. Wenn dann im Projektverlauf etwas real oder vermeintlich schief geht, sitzen die Betroffenen „auf den Barrikaden“.

3. Bürgerbeteiligung für Infrastrukturprojekte gehört heute zu den Erfolgskriterien eines Projektes (VDI-Richtlinie 7000).

Nach der oben genannten Studie beschreiben folgende Aussagen bzw. Gründe „fehlendes Engagement“:

„1. Wenn sich bereits zivilgesellschaftliche Akteure, wie Bürgerinitiativen oder Aktionsgruppen gebildet hatten, wurde die Verantwortung an diese Gruppen delegiert.

2. Die Komplexität der Projekte überforderte viele BürgerInnen und machte es ihnen schwer, eine eindeutige Position zu beziehen.

3. Viele BürgerInnen gaben ein Gefühl der Machtlosigkeit und des ‚nichts ändern Könnens‘ an, obwohl ausreichende Möglichkeiten zur Partizipation gegeben waren […].“

Aus den Antworten wird deutlich, dass die betroffenen Bürger genau abwägen, was sie tun, wenngleich sie häufig nicht verstehen, was da eigentlich unter „ausreichenden Möglichkeiten“ dargeboten wird. Das ist das Problem.

Anliegen an zivilgesellschaftliche Akteure zu delegieren, entspricht gutem demokratischen Brauch. Was wäre daran zu kritisieren?

Wenn es nicht frühzeitig gelingt, die Bürger praktisch einzubeziehen, stellt sich für sie natürlich erst im Verlauf des Projektes die Frage: Beteiligen oder nicht beteiligen.

Dann versammeln sich möglicherweise 5 000 oder vielleicht sogar 50 000, die protestieren.

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