Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer fordert eine deutsche Vermittlerrolle beim russischen Angriffskrieg und „dass dieser Krieg eingefroren wird“ (u. a. Süddeutsche Zeitung vom 20. Juli). Will Kretschmer der Ukraine Friedensverhandlungen, Landabtretungen oder eine Kapitulation vorschreiben? Verzichtsfrieden?
Ein Land in Europa ist von allen Seiten überfallen worden, das Land wehrt sich und bittet um Hilfe. Eine wirksame Hilfe verwehren und den Verzicht auf die Verteidigung des eigenen Landes predigen?
Wir Deutschen jammern, weil wir uns mit unserem Wohlstand über die Maßen abhängig gemacht haben und auf nichts nicht verzichten wollen.
Wir jammern, weil der russische Diktator den Gashahn nach Belieben (und mit höchstem Genuss) auf- und zudreht – je nachdem wie die Debatte in Deutschland läuft. Ganz abdrehen wird er – schon deshalb – nie.
Das hätten wir alles, wenn wir auf unsere osteuropäische Nachbarn gehört hätten, wissen können. Kretschmer und andere wollen nun, dass wir nicht in unseren Wohnungen (vielleicht?) frösteln und (samt Topverdiener und Großaktionäre) an Wohlstand verlieren. Dafür wollen sie der Ukraine, die grundlos bombardiert und erbarmungslos zerschossen wird, vorschreiben (oder empfehlen), was sie zu tun und zu lassen hätte. Nein, das ist nicht nur unredlich, das ist schäbig.
Der Revanchist Putin hat diesen Krieg im Februar des Jahres zum „totalen Krieg“ gegen die Ukraine geweitet. Die Vernichtung des ukrainischen Volkes sind Kriegsziel und Kernbotschaft (wer es nicht glaubt, der lese nach). Zehntausende Menschen sind bereits umgekommen. Putin bezeichnete 2005 den Zusammenbruch der Sowjetunion (nicht etwa den 2. Weltkrieg) als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Den Zerfall des sowjetischen Riesenreiches wollen er und sein Regime rückgängig machen. Das ist sein Ziel und dieses Kriegsziel hat uns bereits oder wird uns früher oder später so oder so erreichen. Wir müssen uns wappnen. Mit KGB-Leuten ist nicht zu Spaßen. Deutsche Großmannssucht ist es, unter diesen Umständen eine „Vermittlerrolle“ einnehmen zu wollen. Von der Ukraine „einfrieren“ abzuverlangen, lässt mich frösteln.
Literatur: Zeitschrift Osteuropa 72. Jahrgang / Heft 1 – 3 / 2022