Jeder sieht die Dinge anders. Jede hat eine andere Meinung. Was wäre daran schlimm?
Eine der Folgen des Vertrauensverlustes der klassischen Medien ist, dass kaum noch jemand journalistischen Berichten glaubt. Die Journalisten haben im Internetzeitalter ihre Gatekeeper-Funktion verloren. Das wäre ja an sich nicht problematisch, wenn nicht Politik, Wirtschaft und die interessierte Öffentlichkeit darauf angewiesen wäre, wenigstens ungefähr zu wissen, was denn tatsächlich passiert. So sucht sich jede und jeder aus dem Netz die Wahrheit, die passt oder zu passen scheint.
Anstatt, dass nach Chemnitz die Medien selbstkritisch über das nachdenken, was sie für ein kommunikatives Durcheinander produzierten, kritisieren nicht wenige – und aus der Ferne – diejenigen, die das Bild zurechtrücken. Ein übliches Vorgehen wie bei der sprichwörtlichen Krähe.
Doch die allgemeine Verunsicherung beim Publikum ist unterdessen so groß geworden, dass – um für sich Ruhe und Gewissheit zu finden – das gesamte demokratische System infrage gestellt wird. Das ist das eigentliche Problem.
Im Internetzeitalter sehen wir, wie anfällig für Fehler die Medien sind und wie verschieden sie über Tatsächliches berichten. Ich würde mir jenseits der Medien eine unaufgeregte Meinungsvielfalt wünschen und ein knallhartes Vorgehen gegen Gewalttäter und Rechtsradikale, die sich in Chemnitz versammelten. Denn dies ist – wie unterschiedlich die Wirklichkeit auch wahrgenommen wird – unbestritten.