Blog & Notizen

Trolle, Pöbler, Kläger

in Meinungsforen verderben Debatten. Massenattacken im Internet und per Leserbrief verunsichern Massenmedien: „Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will“. Dabei ist das Ziel dieser Schreiber offenkundig, andere Meinungen zu überrollen mit Begründungen wie Welt retten, Verschwörungen enttarnen, wahre Hintergründe nennen, Mächtige anklagen. Mit Meinungsfreiheit haben Pöbeln und Pranger nichts zu tun, aber sie wirken heftig. Manche Journalisten verhalten sich unter dem Druck der Veränderungen im Mediengeschäft kleinlaut und trauen der eigenen Recherche nicht. (Deshalb auch folgen solche Journalisten lieber der eigenen Zunft, wenn sie aufklärerisch unterwegs sein wollen, s. Salami-Taktik). Das Internet galt als Medium, „in dem der Journalismus und seine Konsumenten in ein neues partnerschaftliches Verhältnis finden könnten“, so Stefan Plöchinger, (sz.net). Doch diese Leserforen stellen sich heute für „demokratiefördernde Debatten“ als Illusion heraus. Plöchinger dazu: „Wir haben einen Fehler im System. Nämlich in den Foren der Nachrichtenseiten. Es ist Zeit, das zuzugeben. Wir müssen den Leserdialog neu denken“. Plöchinger weiter: „Ein Fluch ist es…, wenn dieses Privileg … zur Schilderung irrer Erlebnisse, Eindrücke und Argumente missbraucht wird.“ Die Leserforen sind, meine ich, neue Medienformate geworden, deren Regeln die Macher bestimmen müssen. Angst vor Vorwürfen, die Meinungsfreiheit zu beschränken, ist fehl am Platz. Kein Mensch klagt bei Talkshows, wenn nur bestimmte Leute zu Wort kommen. Kein Mensch beklagt, dass in Zeitungen nur ausgewählte Leute inteviewt werden. Ob Auswahl und Ablauf gelungen und ausgewogen sind, wird stets zu hinterfragen und strittig sein. Doch die Redaktionen müssen das Privileg nutzen und bestimmen, wer in ihren Foren oder auf Leserbriefseiten vorkommt oder auch nicht. Wenn sie das nicht wagen, kommen redaktionelle Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft „unter die Räder“.